Warbruckshof: Eine Stadt verschleudert ihr Erbe

von Katrin Susanne Gems

Duisburg gilt nicht als attraktive Stadt, aber dieses Image kommt nicht von ungefähr. Hier werden seit Jahrzehnten Chancen verspielt. Die einstige „Stadt Montan“ verleugnet ihr Erbe und betreibt kurzsichtigen Stadtumbau, verschleudert das Charakteristische zugunsten immer wieder scheiternder „Leuchtturmprojekte“ und mal mehr, mal weniger windiger Investoren. Hatte Anfang der 90er Jahre die „IBA Emscherpark“ Hoffnung gemacht, dass die Geschichte der Stadt an Rhein und Ruhr stolz präsentiert würde, sogar Touristen anziehen könnte und die Natur nach den langen Jahrzehnten eine Chance bekommen könnte, kann man heute nur konstatieren, dass das Gegenteil eingetreten ist.

In Ruhrort verschwand die historische Bebauung des Werfthafens, des ältesten Teils des Hafens in Nacht und Nebel gegen den ausdrücklichen Wunsch der Bevölkerung. Es gibt sogar Pläne, das Bodendenkmal zuzuschütten. Der ehemalige Hafenchef verkündete, der Duisburger Hafen sei ein Wirtschaftshafen und Tourismus störe da nur. Folgerichtig ließ er auf der nun „Mercatorinsel“ genannten Vinckeinsel direkt gegenüber des historischen Hafenstadtteils eine Halle bauen und plante noch eine weitere. Der den Bürgern versprochene Park schrumpfte auf eine Alibi-Ecke, die wohl nicht gewinnbringender zu verscheuern war. Dort ließ der Hafenchef, der gerne dicke Zigarren raucht und dicker Kumpel des Gazprom-Angestellten Gerhard Schroeder ist, unter Ausschluss der Bevölkerung die Skulptur des dritten Zigarrenrauchers im Bunde aufstellen.

Beim Verkauf des Eisenbahnhafens, der im Zuge der IBA Museumshafen werden sollte, wurde wahrscheinlich auch Sekt geschlürft, ob Zigarren geraucht wurden, ist nicht überliefert. Lieber, als dem meistbesuchten Museum Duisburgs einen Hafen zu gönnen – dem Binnenschifffahrtsmuseum, dem man schon einen Zugang für die Hafenrundfahrten gebaut hatte – wollte man hier „Ruhrort Waterfront“ errichten, eine Art zweiten Innenhafen, also Büros, „hochwertigen Wohnraum“ und ein bißchen Gewerbe. Es wurde nichts. Der Investor ging pleite, der Hafen ist vor zwei oder drei Jahren wohl wieder verkauft worden. An wen, das hält die Stadt geheim. Der Hafen indes gammelt vor sich hin, der eigentlich attraktive Hafenstadtteil kämpft.

In Walsum wurde die Zeche abgerissen. Dazu auch die schöne, zur Zeche gehörende Siedlung, in deren ehemals grünen Gärten sich jetzt die Getränkekisten der Firma Hövelmann stapeln. 2010 traf ich dort einen Mann beim Ausräumen seines Hauses. Er weinte. Er hatte vorher schon zweimal aus Häusern ausziehen müssen, die abgerissen wurden. Kein ungewöhnliches Schicksal in Duisburg. Alt-Walsum, direkt am Rhein gelegen und, wie die meisten Duisburger Stadtteile im Duisburger Norden, seit fränkischer Zeit besiedelt, ruht nun unter dem gigantischen Kühlturm eines Riesenkraftwerks.

Der Abriss des halben historischen Stadtteils Bruckhausen ging durch die überregionale Presse, was die Stadt nicht davon abgehalten hat, ihren Plan zu verwirklichen und einen Stadtteil zu vernichten, der in seiner Gesamtheit schon seit 20 Jahren unter Denkmalschutz hätte gestellt werden sollen und unter Historikern als einmalig im Ruhrgebiet galt. Aber Thyssen-Krupp gab Geld für die Geschichtsvernichtung und da gab es kein Halten. Menschen, die sich mühsam ein Haus im am schlechtesten beleumundeten Stadtteil Duisburgs renoviert hatten, verloren ihre Häuser für den berühmten Appel und das Ei. Manche zahlen bis heute an den Krediten für den Hauskauf.

Die immerhin von Max Taut geplante Zinkhüttensiedlung, als Vorzeigeprojekt nach Krieg und Nazizeit zum Beweis besseren Willens von Thyssen geplant, wollte die Stadt gerne als Baugrund für den Parkplatz eines „Outletcenters“ entmieten und abreissen lassen. Mit den alten Herrschaften, die dort bleiben wollten hatte man kein Pardon, aber auch nicht gerechnet. Denn sie wehrten sich heftig. Das Projekt scheiterte und hätte die Stadt Millionen an Schadensersatz gekostet, hätte nicht ein Mitglied der Bürgerinitiative gegen den Abriss den Verkauf der Siedlung an einen bekannnten Architekten und Outletgegner vermittelt. Müßig zu erwähnen, dass diese Unterstützung der Stadt keinerlei Dank wert war.

Die Liste der Bauskandale ließe sich beliebig erweitern, als Stichworte seien hier nur Küppersmühle, Landesarchiv, The Curve (heute: Am Alten Holzhafen), die unendlich beplante „Duisburger Freiheit“ (Wer denkt sich solche Namen aus? Inzwischen Duisburger Dünen) auf dem Gelände am Bahnhof auf dem die Loveparade zur Katastrophe wurde. Gebäude werden abgerissen, weil unbedingt neue gebaut werden müssen, die dann aber keine Mieter finden, siehe neue Bibliothek, in der jetzt auch die Volkshochschule untergebracht ist, oder gegenüber, die „Königsgalerie“, mit schön viel plakativem Gold, für den die Galerie von Gerkan Marg und Partner verschlimmbessert wurde. Irgendwer wird schon daran verdient haben.

In Duisburg gibt es noch sechs Wind- und zwei Wassermühlen, in ganz Deutschland noch etwa 400. Ist Duisburg für seine Mühlen bekannt? Natürlich nicht. Die meisten gammeln vor sich hin. Und auch andere Gebäude der vorindustriellen Epoche gibt es noch. Die meisten völlig unbeachtet.

So auch der Warbruckshof.

Die erste urkundliche Erwähnung des Warbruckshof in Marxloh findet man in einer Urkunde aus dem Jahr 1139. Noch heute erkennt auch der unbedarfte Betrachter eine komplette Hofanlage. August Thyssen hatte den uralten Hof als Werkscasino für den benachbarten Schacht 2/5 gekauft, so blieb er erhalten. Die Thyssens kauften gerne Herrensitze und repräsentative Gebäude um sie für solche Zwecke zu nutzen, so auch den Oberhof in Beeck von 1665, den Fritz Thyssen einige Zeit bewohnt hat. Mit dem Hauptgebäude des Warbruckhofs hat er einiges gemein: Balkendecke, alter Ofen, ein historisches Holztreppenhaus. Von wann die heute noch stehenden Gebäude des Marxloher Hofes stammen, ist nicht bekannt, er steht auch nicht etwa unter Denkmalschutz. Dabei ist er ein Kristallisationspunkt Marxloher, Hamborner und damit Duisburger Geschichte. Einst Sitz der Holtener Burgmannenfamilie Hagen van Darle zu Werlbruck. Werlbruck oder Werlebruck ist ein alter Name des Warbruckshofs. Dieses Geschlecht hatte in der näheren Umgebung von Holten das Verfügungsrecht über Güter in Laar, Stockum, Alsum, Aldenrade und Walsum-Overbruch.

In einer geschichtsbewussten Stadt wäre dieses Gebäude ein Schmuckstück, ein Museum. Die meisten Herrenhäuser haben die Zeiten nicht unverändert überstanden, sie sind immer und immer wieder überformt worden und trotzdem oder gerade deswegen Denkmäler. Vor etwa 20 Jahren ist der Warbruckshof als Firmensitz der Gesellschaft für Beschäftigungsförderung (GfB) unsensibel saniert worden, die Fassaden wirken zugepappt, die Öffentlichkeit hatte keine Zugang zum Gebäude. Schlimm genug, aber nun kommt es schlimmer, denn obwohl der Bezirksvertretung vorgegaukelt worden ist, nur ein jüngeres Gebäude aus den 1970er Jahren müsste für eine Autobahnabfahrt weichen, soll nun der ganze Hof für ein Minigewerbegebiet neben einem größeren, das auf dem Gelände von Schacht 2/5 entsteht, abgerissen werden. Auf den Protest eines Bezirksvertreters traute sich ein Mitarbeiter der Verwaltung sogar zu behaupten, dass Gebäude sei baufällig, auch das ist schon eine traurige Tradition in dieser Stadt. Nur nebenbei: Die GfB ist erst vor wenigen Wochen ausgezogen, die Gebäude sind bis 2017 regelmäßig aufwendig renoviert und gepflegt worden.

Duisburg hat in den 70er Jahren seine Altstadt und auch die Ruhrorter Altstadt abgerissen. Seit dem hat das Verschwinden historischer Bausubstanz nicht aufgehört, seit einigen Jahren hat es wieder regelrecht Konjunktur. Geschichte und alte Bausubstanz sind aber keine Sahnehäubchen: Sie prägen die Identität einer Stadt. Was für eine Stadt könnte Duisburg sein, wenn sie von ihrer Verwaltung geliebt und nicht für wenig Geld verscheuert würde? Mit einem Hafen an zwei prägenden Flüssen, mit spannender Geschichte, die man am Stadtbild ablesen kann. Der Warbruckshof steht seit Jahrhunderten in der Aldenrader Heide, in der es Hügelgräber en masse gab, in der die Sage vom Königsgrab im Kiebitzberg spielt, in der Zechen wuchsen und wieder verschwanden. Würden wir diese Geschichte achten und erzählen, wären wir reicher. Stattdessen täuscht und trickst die Stadt und verscherbelt Haus und Hof. Und die Bürger verlieren das Vertrauen in die Demokratie. Wen wundert das?

Gerade Marxloh, vielfach als der Problemstadtteil betitelt, braucht solche herausragenden Beispiele einer grossen und bedeutenden Geschichte.

Wer sorgt also dafür das Marxloh seinen Ruf hat?

Abschliessend  noch ein paar aktuelle Bilder in welcher Art und Weise die Stadt bzw. die von ihr beauftragten Abrissunternehmen auf dem Warbruckshofgelände vorgehen. Auch im Umgang mit der Natur bleibt nicht viel übrig von den wohlfeilen Versprechen sich vorsorglich und mit Bedacht zu kümmern. So werden die Bäume dort nicht anständig gefällt, sondern irgendwie einfach über den Haufen gefahren. Inwieweit ihr Erhalt geprüft wurde ist nicht bekannt. Man darf aber davon ausgegehen, die Mühe machte man sich bei der Stadt eher nicht.

Als die Aufnahmen erfolgten stand der alte Hof noch. Zu sehen sind später zugebaute Gebäude.

 

© Katrin Susanne Gems 2022

 

© Katrin Susanne Gems 2022

 

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© Katrin Susanne Gems 2022

 

© Katrin Susanne Gems 2022