Alte Stadtmauer und Denkmalpflege: Denn Sie wissen nicht wie es geht!

Just heute wird in der Ratssitzung u.a. auch über die Sanierung der alten Stadtmauer entschieden. Das Vorhaben soll angeblich teurer werden.

https://sessionnet.krz.de/duisburg/bi/getfile.asp?id=1650410&type=do

Unser DUISTOP-Teammitglied Dr. Günter Krause ist ein versierter Kenner der gesamten Geschichte Duisburgs und hat aus diesem Anlaß eine sehr kritische Gegendarstellung (und schonungslose Abrechnung) dessen verfasst was die Stadtspitze den Ratsleuten und uns allen in Sachen Denkmalpflege und alter Stadtmauer „verkaufen“ will.

Zur Sanierung der Duisburger Stadtmauer – siehe https://www.waz.de/staedte/duisburg/die-sanierung-der-duisburger-stadtmauer-wird-teurer-id231997551.html – und den Bericht in der gedruckten Ausgabe der WAZ-Duisburg vom 10. April 2020.

Ein ausführlicher Beitrag von Dr. Günter Krause – ehemaliger Stadtarchäologe von Duisburg – Verfasser des Buches „Archäologische Zeugnisse zur frühen Geschichte Duisburgs“ sowie DUISTOP-Teammitglied

Die von 1985 bis 1995 durchgeführten archäologischen und baugeschichtlichen Untersuchungen an der Duisburger Stadtbefestigung haben ergeben, dass sie bis ins 10. Jahrhundert zurückreicht und trotz aller Substanzverluste nach dem Zweiten Weltkrieg, damals waren noch 80% des Maurerverlaufs vorhanden, jetzt sind es unter 30%, die älteste noch so gut erhaltene mittelalterliche Stadtbefestigung im ganzen deutschen Sprachraum ist. Sie besteht nicht nur aus den sichtbaren Mauern, sondern auch aus heute im Boden erhaltenen Wällen (Springwall, Kuhlenwall, Sonnenwall) und Gräben. Die Stadtbefestigung wurde in dieser Zeit mit Millionenaufwand an öffentlichen Mitteln im Rahmen des Bund-Länder-Programms für Altstadtsanierung unter Federführung des Berichterstatters wissenschaftlich untersucht, dokumentiert und in enger Absprache mit dem Rheinischen Amt für Denkmalpflege restauriert.

Erklärtes Planungsziel der Stadt war es dabei bis 1995, die Stadtbefestigung im Rahmen eines historischen Altstadtrundgangs wieder insgesamt erlebbar zu machen und zum Innenhafen, der ehemaligen Rheinfront zu öffnen.
Die Mittelvergabe war mit einer 25jährigen Erhaltungspflicht verbunden. Das machte eine fortlaufende Unterhaltung und Pflege dieses wichtigen Denkmals notwendig, eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Dies wäre mit einem geringen jährlichen Unterhaltsetat möglich gewesen. Es blieb aber Wunschdenken, da die Stadt nicht daran dachte, einen solchen einzurichten.

Es verwundert deshalb nicht, dass die Stadtbefestigung schon bald wieder verfiel. Von mir wurde deshalb schon 1996 ein ausführlicher Schadensbericht mit zahlreichen Abbildungen angefertigt und an zuständige Institutionen, darunter auch das Rheinische Amt für Denkmalpflege, weitergegeben. Es geschah aber nichts. Direkt vor dem Kultur- und Stadthistorischen Museum drohte die Stadtmauer deshalb 1996 einzustürzen. Dort spielende Kinder gerieten in Lebensgefahr. Die von Duisburger Bürgern um Abhilfe gebetene städtische Kulturdezernentin wurde erst tätig nachdem die Staatsanwaltschaft eingeschaltet worden war.
Die Untersuchungen an der Duisburger Stadtbefestigung und ihre Restaurierung bis 1995 setzten Maßstäbe für den Umgang mit diesem herausragenden Denkmal früher Stadtkultur. Wollte man dieses erhalten, musste der erreichte Wissens- und Restaurierungsstandard bei allen weiteren Maßnahmen Berücksichtigung finden. Dies war und ist aber nicht der Fall. Mir wurde schon 1994 die Zuständigkeit für die Stadtbefestigung und weitere Arbeitsmöglichkeiten entzogen.

Im Zuge der Internationalen Bauausstellung Emscherpark sollte die Duisburger Altstadt in den 1990er Jahren nach dem Masterplan des berühmten englischen Architekten Norman Foster jetzt zu einem „Internationalen Dienstleistungspark der Zukunft umgestaltet werden. Da eine Stadtmauer nicht in einem solchen Zukunftspark passte, ließ man sie einfach verkommen oder überbaute sie, um sie weiter zu zerstückeln und ihren Verlauf mehr und mehr verschwinden zu lassen. Man weigerte sich sogar, Wälle und Gräben der Stadtbefestigung als Bodendenkmal unter Schutz zu stellen. Erst eine Bürgerinitiative erzwang dies vor rund 20 Jahren. Ihre Beachtung als Denkmal sollte angeblich die Zukunftschancen der Stadt bedrohen.

So führte auch nicht das Streben nach der Erhaltung der Duisburger Stadtbefestigung im Frühjahr 2005 zur erneuten Beschäftigung mit derselben. Es waren vielmehr gravierende Schäden, verursacht durch Jahrzehnte lang unterlassene Pflege und Unterhaltung. An der Stadtmauer am Kuhlenwall/Obermauerstraße war die Verkehrssicherheit nicht mehr gegeben, so dass dort eine Absperrung aufgestellt werden musste. Die Tuffschale platzte auf der Feldseite ab und fiel herunter und es gab noch weitere Schäden durch Pflanzen- und Baumbewuchs und der Verwendung von ungeeignetem Zementmörtel usw.

Ich hoffte, dass nun endlich ein nachhaltiges Pflegekonzept für die Duisburger Stadtmauer erstellt würde und nicht wieder 10 oder mehr Jahre vergingen, bis man sich erneut der Stadtmauer zuwendete, weil ihr Erhaltungszustand wie 2005 bedrohlich für Mensch und Tier geworden war.

Eine neue Phase der Stadtmauersanierung, die man kaum als Restaurierung bezeichnen kann, begann 2008. Sie ist noch nicht abgeschlossen. Wie in den 1980er und 90er Jahren war auch wieder das Rheinische Amt für Denkmalpflege und dessen Abteilung für Steinkonservierung einbezogen. Ich brachte den Schadensbericht von 1996 ein und bot sein Wissen an. Ich glaubte, damit seinen Teil für eine kontinuierliche Fortsetzung der notwendigen Restaurierungsmaßnahmen an der Stadtmauer getan zu haben. Und hoffte, dass meine in Berichten gesammelten Arbeiten an der Stadtmauer und seine Erfahrungen Berücksichtigung finden würden und von der Bauhistorikerin Frau Dr. Euskirchen in der Unteren Denkmalbehörde der Stadt die fachliche Verantwortung vor Ort übernommen werden würde.

Ich konnte mir nicht vorstellen, dass diese Arbeiten ohne zusammenhängende fachliche Vorgaben und ohne ernsthafte Berücksichtigung der erhaltenen ganz einmaligen denkmalwerten Substanz mit ständig wechselnden Firmen zweifelhafter Eignung durchgeführt wurden. Es kamen wohl in der Regel die günstigsten zum Zuge und diese gingen wie mit der „Dampfwalze“ vor, ohne die Berücksichtigung der unterschiedlichen Nutzungs- und Bauphasen der Mauer, die Beiträge ganz verschiedener Epochen zu diesem Bauwerk sind und ihren Wert ausmachen. Dies hatte ich im 21. Jahrhundert nicht mehr für möglich gehalten. Als einziger Kontinuitätsfaktor war und bin ich jederzeit bereit, mein Wissen über die Stadtmauer auch heute noch weiterzugeben.

Meine Erfahrungen dazu waren aber davor schon nicht mehr gefragt. Auch die von mir und meinen Mitarbeitern für die Restaurierungsarbeiten speziell angelernte und eingewiesene Duisburger Baufirma, die 2006 noch am Alten Markt tätig gewesen war, ist nicht weiter zum Einsatz gekommen. Es fehlen mir die Worte, dies alles zu beschreiben. Ichwurde am Ende von der Unteren Denkmalbehörde umgangen, meine Schadens- und Erfahrungsberichte und das Wissen zur Stadtmauer weitgehend ignoriert. Dass sich so aus dem hohlen Bauch keine denkmalgerechte Betreuung und Restaurierung der Stadtmauer erreichen lässt, dürfte auch für Laien einsichtig sein. Wer sich dessen nicht bewusst ist, hat hier auch gar nichts verloren.

Frau Dr. Euskirchen und ihre Nachfolger machen sich auch nicht die Mühe, den in den 1980er Jahren mit dem Denkmalamt vereinbarten und bis 1995 durchgehaltenen Restaurierungsstandard fortzuschreiben. Außerdem wollte man bei der Unteren Denkmalbehörde nicht wissen, was an Originalsubstanz vorhanden war. Um das Bau- und Bodendenkmal Stadtbefestigung nicht zu beschädigen oder gar zu zerstören, muss aber bekannt sein, wie die Stadtbefestigung vor und nach der letzten Restaurierung ausgesehen hatte und was aus welchen Gründen und wie ergänzt worden war. Das hätte in jedes Konservierungs- und Restaurierungskonzept neben den rein technischen Aspekten für jeden einzelnen Abschnitt eingearbeitet werden müssen. Wie sollten die beauftragten Firmen sonst überhaupt wissen, auf was sie zu achten haben?

Die Leiterin der Unteren Denkmalbehörde bei der Stadt Duisburg und ihre Mitarbeiter kennen nicht einmal das Denkmalblatt zur Unterschutzstellung des Wall-Grabensystems der Stadtbefestigung. ihres Hauses. In diesem Denkmalblatt ist die älteste Wall-Grabenanlage der Duisburger Stadtbefestigung aus dem 10. Jahrhundert als Bodendenkmal ausgewiesen. Sie wurde Anfang der 1990er Jahre entdeckt. Man tut so, als ob es sie gar nicht gäbe und nur die Stadtmauer, die auf diesem Wall steht, allein als Denkmal vorhanden ist. Soweit sie mit ihrem Fundament noch im Boden steckt, soll sie ein Bodendenkmal sein, im Aufgehenden ein Baudenkmal. Aber der Boden selbst, in dem das Fundament der Stadtmauer steckt, gehört zu dem geschützten Bodendenkmal aus Wällen und Gräben der Stadtbefestigung, das nicht einfach ignoriert, sondern einbezogen und denkmalgerecht behandelt werden muss!

Man verschandelt den zu diesem Denkmal gehörenden, noch im Boden erhaltenen Wall am östlichen Teil des Innenhafens durch ein von senkrecht gestellten und z. T. einbetonierten Platten eingefasstes Kiesbett. Es soll den Mauerfuß der auf diesem Wall errichteten steinernen Stadtmauer trocken und von Bewuchs frei halten. Davor war er wie schon im Mittelalter mit Gras bewachsen, das regelmäßig geschnitten werden musste, um den Mauerfuß sichtbar zu halten, auch um so mögliche Schäden an diesem frühzeitig entdecken und beheben zu können, was nicht geschehen ist. Diesen Aufwand will man sich so ersparen. Dabei war bei der Restaurierung der Mauer um 1990 auf deren Feldseite an der tiefsten Stelle vor der Mauer eine Drainage gelegt worden, um den Mauerfuß und den Bereich davor trocken zu halten, verbunden mit einer Pumpstation am Springwall. Das mit hohen Kosten verbundene Kiesbett, mit einem schwarzen Fließ unterlegt, ist ein völlig fremdes denkmalunverträgliches und außerdem ganz überflüssiges Element, das nicht hierhin gehört. Es verstößt überdies ganz eindeutig gegen das Denkmalschutzgesetz/NRW.

Ein Bürger aus Duisburg-Wedau, der dort an seinem Haus in der unter Denkmalschutz stehenden Gartensiedlung aus dem letzten Jahrhundert ein solches Kiesbett angelegt hatte, wurde von der gleichen Unteren Denkmalbehörde der Stadt Duisburg unter Androhung einer hohen Ordnungsstrafe gezwungen, dieses wieder zu beseitigen, da es eindeutig gegen Auflagen des Denkschmalschutzes verstieß. Als er aus diesem Anlass zum Vergleich auf das Kiesbett an der Stadtmauer am Innenhafen und Springwall aufmerksam machte, wies ein Stadtsprecher dieses zurück. Man würde hier Äpfel mit Birnen vergleichen. Damit hat er in ganz anderer Weise als von ihm gemeint recht. Die Verschandelung einer über tausend Jahre alten Stadtbefestigung durch ein modernes Kiesbett ist tausend Mal schlimmer als ein Kiesbett an der Hauswand eines denkmalgeschützten Siedlungshauses und mit diesem in seiner Bedeutung nicht vergleichbar.

Ich kenne dieses Vorgehen als rein technische Maßnahme zum Trockenhalten von Hausfundamenten im Zuge von Altbausanierungen, häufig noch verbunden mit Wärmedämmung der Hausfassaden etc. Ganz offensichtlich hat man sich hier im Sujet vergriffen. Man ist wie bei einer beliebigen Wand mit Feuchtigkeitsproblemen und störendem Bewuchs vorgegangen. Wie kann man die Wand am besten so glätten (durch abschleifen) und verfugen, dass sie frei von jeglichem Bewuchs bleibt, den Mauerfuß und die Mauerkrone vor Feuchtigkeit schützen, damit sie möglichst über Jahrzehnte keine Probleme mehr machen und wartungsfrei bleiben? Dass es sich hier auch um die älteste noch so gut erhaltene mittelalterliche Stadtmauer im deutschen Sprachraum handelt, um deren Substanzerhalt und Aussehen es hier geht, interessierte und interessiert dabei wohl niemanden, trotz aller Lippenbekenntnisse dazu. Das war nur wichtig zu erwähnen, um staatliche Denkmalmittel zu erhalten, die hier aber nicht sachgerecht eingesetzt wurden. Am Ende sind eher beliebige Mauerabschnitte übriggeblieben, deren Denkmalwert durch diese Arbeiten grob gemindert ist, was wohl auch gewünscht war oder zumindest in Kauf genommen wurde und wohl dem Horizont und Wünschen der Auftraggeber dieser Maßnahmen entspricht.

Kurz nach der Entdeckung dieser frühen Wall-Grabenanlage 1992 hatte ich im Rahmen einer wissenschaftlichen Tagung im Britischen Museum London die Möglichkeit, sie in einem Vortrag über die Ergebnisse der Stadtarchäologie in Duisburg einem internationalen Publikum vorzustellen. Man gratulierte mir daraufhin zu deren Auffindung. In Duisburg will nicht einmal die für ihren Schutz verantwortliche Untere Denkmalbehörde etwas davon wissen und lässt zu, dass sie durch ein völlig überflüssiges Kiesbett über hunderte von Metern beschädigt und unkenntlich gemacht wird. Und nicht nur das.

Die WAZ berichtet von einer „Schönheitsoperation“ an der Stadtmauer am Innenhafen usw. Es ist nichts anderes als eine Verfälschung derselben, für die man sich nur schämen kann. Es gibt eindeutige und bindende internationale Regeln, wie man mit einem solchen Denkmalensemble umzugehen hat, um es nicht zu beschädigen und so zu entwerten.

Internationale Charta über die Konservierung und Restaurierung von Denkmälern und Ensembles – http://www.charta-von-venedig.de/internationale-charta-zur-konservierung-und-restaurierung.html

Die Duisburger Stadtbefestigung wird fortgesetzt in einer Weise saniert(!) und bestenfalls verhübscht, dass man sich fragen muss, ob sie danach noch einen Denkmalwert besitzt. Die eigene Geschichte und deren Denkmäler werden in keiner Weise respektiert. Sie dienen bestenfalls der Selbstprofilierung.

Es bleibt mir nichts anderes übrig, als Zeugnis vom Zustand der Mauer vor deren grober Schädigung durch die jüngste „Sanierung“ und danach zu geben. Ich bin wohl der Einzige, der dieses als Augenzeuge noch kann. Inzwischen frage ich mich, ob es nicht besser gewesen wäre, überhaupt keinen Schadensbericht geliefert zu haben. Vielleicht hätte man dann die Hände von weiteren Teilen der Mauer gelassen und sich darauf beschränkt, am Abschnitt Kuhlenwall/Obermauerstraße die Verkehrssicherheit wieder herzustellen. So wäre weit mehr an authentischer Substanz der Stadtmauer erhalten geblieben als es nach der jüngsten Sanierung noch der Fall ist.

Neben dem bereits angesprochenem Kiesbett auf der Feldseite der Mauer am Innenhafen und Springwall ist als weiterer gravierender Eingriff in die Substanz der Stadtmauer die überkragende Abdeckung der Mauerkrone, des Wehrgangfußes und der Unterseiten der Zinnenluken mit Basaltplatten zu nennen. Sie bilden ein eigenes fremdes Element, das rein technisch bedingt ist und die Stadtmauer als solche bis zur Unkenntlichkeit verändert Es handelt sich hier um keine beliebige Garten- oder Grundstücksbegrenzung. Bei der Auskleidung der Böden der Zinnenluken und des Wehrgangfußes fühlt man sich an Fensterbretter oder das Auskleiden von Küchen-, Badezimmer- oder Gartenterrassenböden mit dauerhaftem Material erinnert. Die in einer Ebene bzw. ganz überwiegend waagerecht angebrachten Abdeckungen der Mauerkronen wechseln an dem Mauerstück östlich des Aachener Turms bis zum Koblenzer Turm in der Höhe über 30mal. Damit das Wasser besser ablaufen kann, haben diese Abdeckungen eine leichte Schrägung nach außen oder innen, zur Feldseite oder zur Stadtseite. Auch der Wehrgangsfuß ist mit solchen Basaltplatten abgedeckt und verunklärt worden. Er hat so eine ganz andere Funktion erhalten und dient jetzt vorrangig der besseren Ableitung des Oberflächenwassers und nicht mehr als Auflage für einen hölzernen Wehrgang.

Bevor man eine solche Abdeckung überhaupt anbringen konnte, musste die Mauerkrone vielfach begradigt werden. Um die notwendige flache Auflage für die Plattenabdeckung herzustellen, wurde rücksichtslos erhaltene Originalsubstanz von den Maueroberkanten abgeschlagen. Sie sammelte sich auf beiden Seiten des Mauerfußes. Die Stadtmauer hatte aber wegen ihres ruinösen Zustandes über Jahrzehnte zumeist eine ungleichmäßig hohe Abbruchkante. Sie folgt überdies der alten Geländeoberfläche und besitzt deshalb keinen waagerechten oberen Mauerabschluss. Die originale Oberkannte ist nur noch in einem kurzen Mauerabschnitt am Innenhafen erhalten. Er wurde ebenso verschandelt. Vermauerte Zinnenluken und Schießscharten wurden dadurch beschädigt und überbaut, so dass sie nicht mehr erhalten bzw. nicht mehr sichtbar sind. Unter einer solchen Plattenabdeckung der Mauerkronen als oberer Mauerabschluss erwartet außerdem niemand vermauerte Zinnenluken und Schießscharten einer Stadtmauer. Sie hat hier nichts zu suchen.

Wohl um an der Mauer Pflanzenbewuchs zukünftig zu verhindern, wurde diese vielfach mit Stahlbürsten oder mechanischen Stahldrehbürsten abgeschliffen, so dass die Originaloberflächen der Tuffsteine großflächig zerstört sind. Ihre Spuren finden sich zahlreich. Dabei war die Mauer am Innenhafen zwischen Aachener Turm und Koblenzer Turm durch Erhöhung des Geländeniveaus auf der Feld- und Stadtseite im Laufe der Jahrhunderte bis zur Hälfte von Boden bedeckt und gut geschützt gewesen und deshalb recht gut erhalten. Vergleichbares trifft auch für Teile der Mauer am Springwall zu. Mauerfugen sind nicht mehr mit einem Mörtel, der sich, wie bis 1995, farblich an den vorhandenen Mörtel anschloss und sich dem Mauerverband unterordnete, bündig verfugt worden, sondern mit weißem Mörtel weit über die Fugen hinaus verschmiert, so dass die Umrisse der Steine und damit deren Größen vielfach nicht mehr zu erkennen sind. Zusammen mit dem weißen Mörtel wirken die so behandelten Maueroberflächen wie neu gebaut. Die Neuverfugung ist sehr selektiv und ganz unabhängig vom verwendeten Baumaterial geschehen, das aus Tuff, Bruchstein, Säulenbasalt oder Ziegel besteht, dazu noch ohne Rücksicht auf verschiedene Mauerphasen. Sie bildet ein neues Element, das den Mauerverband auflöst und sprengt. Die Mauern wirken wie pockennarbig.

Einheitliches Mauerwerk sieht dadurch ganz uneinheitlich aus und Mauerwerk ganz verschiedener Art und aus unterschiedlichem Material und von unterschiedlicher Zeitstellung lässt sich nicht mehr unterscheiden. Die Stümpfe abgebrochener Wehrgangsarkaden östlich des Aachener Turms, deren abgebrochene Bögen sich noch sehr gut in ihrer Einbindung in die Mauer erkennen und verfolgen ließen, sind mit Basaltplatten abgedeckt oder mit weißem Mörtel wie mit Zuckerguss überzogen worden, so dass sich ihr Zusammenhang mit den Arkadenbögen nicht mehr erkennen lässt. In der gleichen Weise sind Mauerabsätze behandelt worden, deren Überdeckung mit weißem Mörtel den Mauerzusammenhang zerstört. Am Springwall sind die an der aufgehenden Mauer gut erkennbaren Abdrücke der nachträglich angebauten spitzbögigen steinernen Wehrgangsarkaden durch selektive Neuverfugung mit dem genannten weißen Mörtel und dem Einsetzen von glattgeschliffenen modernen Tuffsteinen, um auch noch grundlos jedes Löchlein in der Mauer zuzuflicken, stark verunklärt und nicht mehr zu erkennen. Man hat ihre Existenz wohl gar nicht zur Kenntnis genommen, obwohl sie gut bekannt sind.

Eine Neuverfugung (besser großflächige Verschmierung der Fugen) mit dem weißen Mörtel war vielfach gar nicht erforderlich, da die Originalverfugung oder deren bis 1995 vorgenommene Ergänzung noch völlig intakt waren und weiterhin sind. Es hätte völlig ausgereicht, den Bewuchs an und auf den Mauern samt Wurzeln zu entfernen und die dadurch beschädigten Fugen zu säubern und wieder mit einem Trassmörtel der bis 1995 verwendeten passenden Farbe zu schließen, weiter die häufig stärker durch Bewuchs und Witterungseinflüsse in Mitleidenschaft gezogenen Mauerkronen möglichst ohne weiteren Substanzverlust zu sanieren. Eine regelmäßige Pflege der erhaltenen Mauerbereiche hätte überdies nur einen Bruchteil der Kosten erfordert, die seit 2008 aufgewendet wurden.
Die um 1990 wegen eines Bombenschadens aus dem Zweiten Weltkrieg steingerecht am Koblenzer Turm neu aufgesetzte Westwange und die komplett ergänzte Südwange desselben sind z. B. jüngst ganz überwiegend ohne jeden Grund neu verfugt worden, wohl aus Unkenntnis über die Arbeiten ihrer Vorgänger.

Vermauerte Türen als Zeugen des mittelalterlichen Hafenbetriebes, Fenster, Schießscharten und Zinnen wurden nicht erkannt bzw. nicht beachtet, aus Unkenntnis oder sogar mutwillig(?) abgetragen, überbaut oder so verändert, dass sie nicht mehr zu erkennen sind. Der Aufbau der Mauer und ihr Zusammenhang mit der gesamten Befestigungsanlage wurden nicht beachtet. Fehlende oder ungeeignete Vorgaben und abschnittsweises Vorgehen mit verschiedenen Firmen lassen keine gleichbleibende Arbeitsqualität zu. An ihr war man offensichtlich wenig interessiert.

Die Überbauung der Untermauerstraße im Zuge der Erweiterung des Kaufhauses Königsgalerie hat dazu geführt, dass die einzigen noch in voller Höhe erhaltenen Mauerabschnitte aus dem frühen 12. Jahrhundert in einer Hinterhofsackgasse verschwunden sind, die keinerlei Besucher mehr anziehen wird, was wohl auch gewollt ist. Ein zusammenhängender archäologisch-historischer Stadtrundgang, dem ehemaligen Verlauf der Stadtmauer folgend, über die Untermauerstraße zum Platz des ehemaligen Kuhtors, weiter zum Schäferturm, entlang der Mauer am Kuhlenwall zum ehemaligen Stapeltor und von dort zur Stadtmauer am altem Wehrgang bis zum Stumpf des Aachener Turm und so fort, ist damit unmöglich gemacht worden. Einen solchen zu ermöglichen, gehörte, wie bereits ausgeführt, noch bis rund 1995 zu den Zielen der Stadtentwicklung. Der denkmalgeschützte Grundriss der Duisburger Altstadt ist somit an einer weiteren entscheidenden Stelle mutwillig überbaut und zerstört worden. Man rennt von beiden Seiten der ehemaligen Untermauerstraße vor eine Wand mit einer Stadtmauertapete, die den Querschnitt der Mauer (in falschem Material), darüber Wolken und blauer Himmel, darstellen soll, als Illusion für das Fortlaufen der Mauer, rund einen Meter aus der Mauerflucht versetzt. Reste etwa der Hälfte eines Stadtmauerturmes und der Stadtmauer, ehemals am Rande der Untermauerstraße gelegen, finden sich stückweise unter vier Glasfenstern isoliert unter dem Fußboden im Eingangsbereich der Königsgalerie, das die Untermauerstraße überbaut und damit zerstört. Der Zusammenhang mit der Stadtmauer und der ursprüngliche Grundriss des Turmes sind nicht zu erkennen. Ein Ausschnitt aus dem Stadtplan von 1566 mit diesem Turm kann dies nicht ersetzen. Das Ganze wirkt wie eine Art Peepshow, auf die kaum ein Besucher aufmerksam wird. Eine Information dazu findet sich mehrere Meter entfernt an der Außenwand einer Rolltreppe der Galerie.

Die Zerstörung der Untermauerstraße ist ein ganz bewusster gewaltsamer Eingriff in Struktur und Gestalt des historischen Altstadtgrundrisses. Um dies zu verschleiern, enthält die zugehörige Info-Tafel wie auch alle weiteren Tafeln des Stadtrundgangs „Rund um die Kaiserpfalz“ einen Stadtplan mit dem Umriss der Altstadt auf dem die Untermauerstraße in ihrem Verlauf noch intakt scheint. Man hat hier anscheinend etwas zu verbergen. Eine ganz ähnliche Zerstörung des historischen Ortsbildes passierte im Frühjahr 2018 am Calaisplatz am Steiger Schwanenentor mit dem Bau des Digitalkontors (Krankikom) und eines Hotels im Bereich der Wälle und Gräben der denkmalgeschützten Stadtbefestigung, in unmittelbarer Nähe zur völlig verwahrlosten Stadtmauer an der Unterstraße und einem völlig überrestaurierten Turm derselben am Calaisplatz. Ziel ist es offensichtlich auch noch die bescheidenen Reste des in der Nachkriegszeit zerstörten historischen Stadtbildes, das Duisburg über 1000 Jahre geprägt hat, weiter zu beseitigen.

Dies alles ist kein Zufall. Es hat System. An die Stelle der vom Verfasser und seinen Mitarbeitern angebotenen geführten archäologisch-historischen Stadtrundgänge, an dem seit den 1980er Jahren bis heute Zehntausende Besucher teilgenommen haben, ist ein sogenannter historischer Stadtrundgang „rund um die Kaiserpfalz“ getreten. Nicht nur die jüngst entdeckte über 1000jährige Geschichte der Duisburger Stadtbefestigung, beginnend mit einer Wall-Grabenanlage, die vor rund 900 Jahren mit einer Stadtmauer verstärkt und weiter ausgebaut wurde, wird den Besuchern an der Stadtmauer verschwiegen, obwohl sie trotz aller Zerstörungen nach dem Zweiten Weltkrieg noch an zahlreichen Stellen zu besichtigen wäre. Für die Vergangenheit der Mauer steht auf den Info-Tafeln ihre kleinteilige und schematische Darstellung auf dem Stadtplan von 1566 ohne jede weitere Erklärung, nicht die Mauer selbst. Eine Phantasiedarstellung am Innenhafen zeigt eine Animation mit dem Bau des Koblenzer Turms und anschließender Mauerabschnitte, die nicht einmal in der gleichen Zeit entstanden sind, zur allgemeinen Volksbelustigung.

Die zugehörige Beschreibung der Duisburger Stadtbefestigung und ihrer Entwicklung ist auf dem gleichen Niveau und grob fehlerhaft. Die angebliche Mauerphase aus dem 10. Jahrhundert ist eine Erfindung des Stadtarchäologen Kai Thomas Platz. Es wird auf den Info-Tafeln über die Mauer geredet, aber nicht das an Ort und Stelle Vorhandene gewürdigt und erklärt. Es ist eher eine versteckte Firmenwerbung für den Konzern Stadt Duisburg, dessen Emblem sich auf den Info-Tafeln findet und für den Verfasser der Texte des Rundgangs, dessen Name auf allen Info-Tafeln steht. Es sind für eine Altstadtführung keine fiktiven Lebensbilder zur Stadtmauer und keine Phantasiebilder mit erfundenen Personen notwendig. Die Orte der Geschichte Duisburgs sind real vorhanden und erforscht worden. Sie werden nur abgewertet und verfremdet, wenn man sie ins Märchenhafte zieht. Auch der schlechte Umgang mit der Duisburger Stadtmauer ist real. Man erfährt bisher nichts über die Entwicklung der Stadt und ihrer Quartiere und die sich wandelnde Bedeutung der Stadtbefestigung im Laufe der Jahrhunderte. Die als einzige von mir ausgeführte Station des geplanten archäologisch-historischen Stadtrundgangs, die „Archäologische Zone Alter Markt“, an der man einen Blick in die 2000jährige Geschichte Alt-Duisburgs am Orte ihrer Entdeckung und Freilegung werfen konnte, ist schwer beschädigt und ausgeräumt. Nur die Info-Tafeln an der Bushaltestelle Alter Markt sind noch intakt.

Wie lange noch, muss man sich fragen? Der im Jahre 2000 ganz überwiegend an der Stadtmauer zwischen Koblenzer Turm und Kuhtor eingerichtete Baumpfad, inzwischen stark ramponiert, soll den BürgernInnen unter anderem nahebringen, dass „Bäume Duisburgs Zukunft sind“. Was er an der Stadtmauer zu suchen hat, bleibt unerklärlich.

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