Julia Beckers Rumgeheule ist erbärmlich

Julia Becker ist Aufsichtsratsvorsitzende der Funke Mediengruppe. Die Mediengruppe, die im Ruhrgebiet seit Jahrzehnten die Medienlandschaft und den Journalismus dominiert wie keine andere.

Nun jammert Frau Becker über die Medienmacht die durch Google & Co. entstanden ist.  Angeblich griffen die US-Digtalkonzerne einen viel zu grossen Batzen des digitalen Werbegeschäfts ab. Denn in diesem Sektor ist inzwischen auch die Funke Gruppe aktiv: derwesten.de, waz.de, nrz.de, lokalkompass.de usw. usf.

https://www.waz.de/politik/julia-becker-google-und-facebook-bedrohen-pressefreiheit-id232202629.html

Das Wehklagen und Gejammere erweckt bei mir keinerlei Mitleid, ganz im Gegenteil macht es mich eher ziemlich sauer. Vor allem, weil in Kürze sicherlich eine Debatte in Gang gesetzt wird, ob man die Zeitungen und ihre Verlage nicht unter Kulturschutz und -förderung stellen sollte. Vor nicht allzu langer Zeit wurden ja bereits 200 Mio. EURO Förderung für die Verlage, angeblich für deren wichtiges Zustellwesen, von der Bundespolitik ins Spiel gebracht.*

Und immer wird betont, wie wichtig der Journalismus sei, wie wichtig die freie Presse usw. Das macht auch Frau Becker ausgiebig. Ich kann selbst ein Lied davon singen, wie es darum tatsächlich steht und auch warum es darum ziemlich schlecht steht.

In Wirklichkeit geht es Frau Becker ums knallharte Werbe- und Polit(=Meinungs)-Business. Und die gedruckten Zeitungen drohen dabei gänzlich auf der Strecke zu bleiben und ihren Einfluss zu verlieren. Na und?  Denn der Einfluss war m.A.n. niemals wirklich der in Sachen „pro Leserschaft“, sondern der in Sachen „pro Werbekundschaft“ und „pro Politik“. Wer derzeit in einem der Funke-Blätter mal etwas wirklich Investigatives oder auch nur im Ansatz Recherche finden sollte, der schickt es mir bitte zu.

Und ausserdem: Video killed the Radiostar, Pferdekutschen wurden von Autos verdrängt. Das Neue verdrängt das Alte. So geht nunmal Zukunft. Und die ist bekanntlich nicht aufzuhalten und wenig zimperlich.

Ob das alles gute Entwicklungen sind, wie z.B. die sozialen Medien, darüber lässt sich trefflich streiten.

Deshalb widme ich mich lieber mal der Funke Gruppe und ihrem vielfältigen  und für mein Empfinden rücksichtslosen Geschäftsgebaren in der Vergangenheit, denn das, was sie in Person von Frau Becker nun beklagt, hat sie eigentlich in der Vergangenheit selbst praktiziert.

Ich mache es kurz und schmerzlos.

Kurz nach dem 2. Weltkrieg konnte sich die Keimzelle der heutigen Mediengruppe bereits die Lizenz für das Zeitungsverlegen und die notwendigen Papierkontingente und -zuteilungen von den Briten sichern.

Im Laufe der Zeit schluckte man sämtliche Konkurrenz oder verdrängte sie vom Markt. Dazu widmete man sich auch den Anzeigenblättern und machte ebenso in diesem Markt keine Gefangenen. Dann stieg man ins Radiobusiness ein, ins Druckgeschäft, ins TV-Geschäft (RTL), ins Versandgeschäft (Otto) sowie in den Markt der Yellow-Press à la „Frau im Spiegel“.

Man beteiligte sich im Ausland an Verlagen, wie z.B. in Österreich (Kronen Zeitung) oder auch auf dem Balkan.

Vielfach sicher mit dem Ziel, das der italienische Mathematiker Pareto so trefflich mit seiner 80:20-Formel bzw. -Regel ausdrückte, einfacher gesagt, mit dem Ziel ein Monopol zu erlangen – Minimum 80% des Marktes, wohin der Markt und die starken Marktteilnehmenden immer drängen, wenn man sie denn ungehindert lässt. Was die NRW-Landesregierungen in der Vergangenheit nur zu gerne taten.

Anfang der 2000er verschlief die Funke Gruppe dann, wahrscheinlich aufgrund der Medienmacht träge und überheblich geworden, die neuen Medien in Form des Internet.

Man verlor wichtige Sparten wie Immobilienanzeigen an die Scout-Gruppe, die Metrogründer Beisheim durch gnadenloses Abforsten just der gedruckten Annoncen aus bundesweiten Zeitungen in Gang brachte.

Dazu kamen die Autoanzeigen und die Stellenanzeigen und später noch die Partnerschaftsanzeigen, ja selbst die Todesanzeigen, obwohl man mit www.trauer.de selbst ein wenig im Geschäft ist.

Die angeblich so wichtigen (Lokal-)Redaktionen strich man gnadenlos zusammen. Teils legte man Print und Online zusammen. Alles wurde zentralisiert. Man verband sich sogar mit Konkurrenten und man übernimmt immer öfter, so mein Eindruck, die gelieferten Stories 1:1, die von Agenturen und direkt aus den Rathäusern und Polizeidirektionen kommen. Von wegen Journalismus.

Und zu den Vorgehensweisen der Yellow-Press hat sich vor kurzem bereits Böhmermann ausführlich ausgelassen.

https://www.deutschlandfunk.de/kritik-an-regenbogenpresse-sie-koennen-davon-ausgehen-dass.2907.de.html?dram:article_id=496019

https://www.dwdl.de/nachrichten/82379/boehmermann_narrt_die_klatschpresse_mit_ihren_eigenen_waffen/

Es sinken die gedruckten Auflagen vor allem der Tageszeitungen seitdem kontinuierlich weiter und weiter auf ein schwindsüchtiges Niveau, so dass es wohl kaum noch lohnt den Apparat (Druck und Verteilung) dafür am Laufen zu halten.  Die meisten Abos laufen aus, weil die AbonnentenInnen sterben. Junge Leute lesen kaum noch Zeitung, warum auch?

Damit Abo-Promotions wahrscheinlich noch irgendwie zum Zahlenschönen bei Werbetreibenden helfen, lässt man Abos kündigen und verspricht bei sofortigen Abo-Neuanschluß horrende Prämien. Um ein wenig ködern zu können, enthält ein Abo jeweils den Online-Zugang zum unbeschränkten Netzableger der gedruckten Schwester: www.waz.de, www.nrz.de usw.

Viele Werbe-Prospekte der Grossen (ALDI etc.) werden heute nicht mehr unbedingt beigelegt, sie werden direkt verteilt. Anzeigen von lokalen HändlernInnen werden nicht mehr geschaltet, weil sie das wenige Werbegeld zielgenauer einsetzen wollen und online umverteilen.

Corona tut sein Übriges dazu.

Fazit: Die Funke Medien Gruppe hatte ewig Zeit, seit dem Krieg, ordentlich Geld zu scheffeln, Politik zu beeinflussen, SPD-Leute wie Hombach mischten nicht umsonst mit, und wer sitzt im Kabinett von Laschet, ursprünglich als Medienminister gedacht? Jetzt sind andere dran. Eure Zeit ist abgelaufen.

Ach ja, und der Qualitäts-Journalismus ist Euch schon lange abhanden gekommen!

Und dann noch das hier:

https://www.manager-magazin.de/unternehmen/funke-mediengruppe-krumme-geschaefte-ihres-stiefvaters-holen-julia-becker-ein-a-9f2363b2-0002-0001-0000-000177209390

Man kann abschließend geneigt sein zu sagen, so wie sich die Mitgliederzahlen der ehemaligen Volksparteien negativ entwickelt haben, so haben das auch die Abo-Zahlen der Zeitungen, nicht nur bei der Funke-Gruppe. Kann es sein, dass es da einen Zusammenhang gibt? Wenn es nun Fördergeld geben sollte, versuchen zwei sich zu retten, die eigentlich nicht mehr zu retten sind.

 

*) NACHTRAG: Die beabsichtigte Förderung der Presse i.H.v. mehr als 200 Mio. EURO ist inzwischen vom Tisch. Ich war nicht so ganz uptodate. Mehr dazu hier: https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/zur-gescheiterten-pressefoerderung-der-bundesregierung-17318989.html